Für einen kurzen Moment sah es wie die Lösung unseres größten Problems aus, aber dann.. |
ER (inklusive Schockraum) |
Im Krankenhaus sind wir, wie schon erwähnt, inzwischen etwas
selbständiger geworden. Im ER hatte ich schon meine eigenen Patienten und auch
sonst wird uns mittlerweile immer mehr anvertraut.
Auch das Spektrum an Krankheitsbildern und Verletzungen das
wir bisher gesehen haben ist schon um einige Raritäten reicher geworden.
Patienten mit allen Arten von Tuberkulose sind für uns keine Besonderheit mehr,
auch Leberzirrhosen mit allen Komplikationen keine Seltenheit. Der jüngste
Patient mit einer dekompensierten Leberzirrhose, der in der letzten Zeit im
JDWNRH aufgeschlagen ist, war 15 Jahre alt!!
Auch Tumoren die unfassbar weit fortgeschritten sind sieht
man hier zuhauf.
Die Bilder hierzu (hauptsächlich aus dem OP) findet ihr
ganz unten, so dass auch zart besaitetere Menschen diesen Text noch lesen
können ohne Albträume zu bekommen. Im ER habe ich auch einige wirklich schlimme
Sachen gesehen, die es bei uns glücklicherweise nicht mehr gibt und die einem
dann schon mal sehr zu schaffen machen. Eine schwangere Frau (22J., 3.
Schwangerschaft, eine Tochter) kam zu uns drei Tage nachdem die Geburt begonnen
hatte. Sie und ihr Mann leben in einem Haus/Dorf dass mit dem Auto schon 8
Stunden entfernt von der nächsten richtigen Straße liegt, ganz zu schweigen von
einer Basic Health Unit oder einem Krankenhaus. Nach drei Tagen kamen sie dann
endlich bei uns an, das Kind schon längst tot. Die Frau/das Mädchen vollkommen
apathisch, der Mann/Junge vollkommen überfordert. Beide in einem so
furchterregenden Allgemeinzustand…
Da es an so entlegenen Orten auch keine
Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen gibt, wusste niemand wie alt das Baby
war oder sonst etwas zum Verlauf der Schwangerschaft. Auch die Mutter selbst
konnte nicht sagen im wievielten Monat sie etwa war. Das einzige was wir
gesehen haben, war ein vollkommen unförmiger Bauch und zwischen den Beinen
einen klitzekleinen Teil Köpfchen des Babys. Erst hat die Gynäkologin versucht
das Kind noch auf natürlichem Wege heraus zu bekommen, was aber nicht
funktioniert hat. Da im Ultraschall dann noch eine Uterusruptur zu sehen war
(bei dem Bauch nicht anders zu erwarten), ging es ab in den OP und ein 3,1kg,
recht sicher gesunder aber leider schon sehr lange toter Junge wurde per
Kaiserschnitt entbunden. Das Baby hätte ohne größere Schwierigkeiten überleben
können, hätte die Mutter besseren Zugang zu medizinischer Versorgung gehabt.
Sein einziges Pech war, das er 180° verdreht lag und anstatt mit dem Hinterkopf,
mit der Stirn zuerst heraus wollte. Das klappt nun mal leider nicht. In Europa
hätte man dass ziemlich schnell und leicht erkannt und einfach früher einen
Kaiserschnitt gemacht.
Ein genauso schlimmer Fall war eine 18jährige mit einem sehr
wahrscheinlich sehr bösartigen Eierstocktumor. Der Tumor war so groß, das sie
aussah als wäre sie schwanger. Vorgestern haben wir auch ein Kind mit einem
Wasserkopf aufgenommen, das auch einfach viel zu spät das erste Mal von einem
Arzt gesehen wurde und dessen Prognose die Mediziner unter euch anhand des CT
Bildes auch ohne neurologische Fachkenntnis einschätzen können.
Weniger tragisch, da die Prognose recht gut, aber auch spektakulär,
war die OP eines 13 Monate alten Kindes mit Wilmstumor (Niere). Die entfernte
Niere war einfach so groß, wie die eines Erwachsenen.
Am spektakulärsten bzw. exotischsten bisher war aber ein
Patient bei dessen OP Amelie assistiert hat. Gehört haben wir ja schon öfter
davon, aber nun haben wir es auch mal „live“ gesehen. Ein Mann mit einem Pfeil
in der Hand (Bild unten). „Alles war aus der Schusslinie, nur meine Hand halt nicht…“. Er
war nicht der Meinung, dass er Glück gehabt hat. Wenn er Glück gehabt hätte,
hätte ihn der Pfeil nämlich gar nicht getroffen. =)
Aber auch die Kopfverletzungen (bei Prügelei mit Stock
entstanden) die ich im ER gesehen habe, inklusive deren Versorgung, waren
haarsträubend.
Insgesamt machen uns die Begrenztheit der Ressourcen und die
Arbeitsumstände hier schon zunehmend zu schaffen. Zurzeit kann man auch einen
Großteil der Laboruntersuchungen, mit denen ohnehin schon sparsam umgegangen
wird, zwar anfordern, zurück kommt dann aber nur „no reagent“. Daher gibt es
z.B. gerade keine Schilddrüsenmarker. Im OP das Gleiche: Amelie wollte ein paar
6.5er Handschuhe, woraufhin der OP Pfleger nur meinte sie hätten nur 6er oder
7er oder 6.5 unsteril. Bei Fäden ging es ähnlich.
Auch ich habe die Platzwunde des einen Mannes mit schwarzem
Nylon zugenäht, während seinen Kopf auf seinem Jackett lag. Lokalanästhesie
brauchte es nicht, da er zuvor schon selbst für eine Allgemeinanästhesie
gesorgt hatte und auch steriles Abdecken oder die Haare um die Wunde herum abrasieren
wird vollkommen überbewertet. Nylonfaden unterscheidet sich aber
praktischerweise wenigstens in der Haptik von bhutanischen Haaren.
Auch gleichbleibend irritierend bleiben die Stromausfälle im
Krankenhaus. In größeren aber doch regelmäßigen Abständen wird es einfach
stockdunkel und man kann sich nur noch mit einer Taschenlampe fortbewegen.
Bei all den Widrigkeiten gibt es, aber auch einige Dinge,
die durchaus besser sind, als in Deutschland. Z.B. bekommen die Patienten immer
sämtliche Unterlagen beim Verlassen des Krankenhauses mit. Das heißt jeder hat
seine komplette Krankenakte bei sich und bringt diese sobald er in die Ambulanz
oder auf Station kommt mit. Man hat immer alle vorhandenen Briefe,
Laboruntersuchungen, Röntgenbilder, etc. eines Patienten aus sämtlichen
medizinischen Versorgungseinheiten da. Nur die aller wenigsten Patienten
vergessen ihre Unterlagen mitzubringen. Dieses System ist definitiv besser als
das deutsche, wo bei jedem Arzt und in jedem Krankenhaus eine Akte mit
Untersuchungsergebnissen des gleichen Patienten herumliegt und man sich oft
viel Arbeit sparen könnte, wenn man nur alle Unterlagen beisammen hätte.
Außerdem wird im OP fast immer zusammen gegessen/Mittagspause gemacht. =)
Auch das Arbeitspensum was hier von einigen Ärzten am Tag
geleistet wird, ist beeindruckend. So macht Lotay mittwochs ohne Probleme 45
Magenspiegelungen und noch einige Darmspiegelungen. Eigentlich braucht man für
eine Magenspiegelung keine Sedierung. Das spart auch enorm viel Zeit. Der
Patient kommt rein, legt sich hin, 2-3min Spiegelung, Aufstehen, Mundausspühlen
o.ä. und dann geht er auch schon wieder. Man fragt sich da echt, warum die
Deutschen (uns nicht ausgenommen) sich da so anstellen. Auch bei Lotays
OP-Plan, darf man sich in Deutschland nicht über viel Arbeit beklagen… ;-) Für
eine unkomplizierte LapGalle braucht er nur gute 10 Minuten. Da auch die
Wechselzeiten der Anaesthesie im Schnitt nur 15min sind, kann man da schon mal
sieben LapGallen und noch ein bisschen anderen Kram an einem Tag machen.
Und auch einige jüngere und fittere Patienten, werden mit in
den Stationsalltag eingebunden, damit gar nicht erst die Chance besteht, dass
Langeweile aufkommt und sie anfangen zu nörgeln.. ;-)
Kompressen, Tupfer und Pflaster sind hier noch hand made |
An was wir uns aber auch nicht gewöhnen können/wollen ist,
dass man Patienten, die an Krebs oder einer anderen bösartigen Krankheit
erkrankt sind, das nicht sagt. Hier (und auch im gesamten übrigen Osten) sagt
man ihnen, dass sie ein nicht gut behandelbares Geschwür o.ä. haben, aber
vermeidet tunlichst die Worte „Krebs“, „tödlich“ oder „unheilbar“. Den
Angehörigen sagt man aber sehr wohl ausführlichst was los ist. Die allgemeine
Meinung hier ist, dass Patienten die Mitteilung einer solchen Prognose nicht
überwinden würden und dann bis zu ihrem Tod depressiv und ohne Freude dahin
siechen würden. Daher liegen bei uns viele Patienten die jeden Tag wieder
darauf hoffen, dass der Doktor sie bald gesund macht und sie wieder nach Hause
können. Tatsächlich haben sie aber keine Ahnung, werden jeden Tag schlechter
und das Einzige was von „unserer Seite“ kommt ist: „Boa, der/die lebt ja immer
noch... “.
Auch wenn wir sehr dankbar sind, diese Erfahrung hier machen
zu dürfen und prinzipiell auch viel Spaß bei der Arbeit hier haben, freuen wir
uns doch, bald wieder in einem deutschen Krankenhaus mit allen Möglichkeiten
arbeiten zu dürfen und bewundern es sehr, wie die Ärzte hier trotz all diesen
Beschränkung so motiviert und engagiert bleiben können, obwohl sie sich
durchaus jede Minute bewusst sind, dass sie hier nicht alles für ihre Patienten
tun können. Das ist wirklich eine große Leistung!
Diese Woche ist Amelie im ER und ich bin mit Johannes Meixner „Dr. John“, dem deutschen Kinderchirurgen unterwegs.
In seiner Sprechstunde habe ich dann auch gesehen wir
wunderbar sich ein Kind entwickeln kann, wenn man seinen Wasserkopf früh genug
behandelt (auf den Bildern hat er seinen präop. CT in der Hand) und auf der
Kinderstation habe ich heute das wohl süßeste Kind (->), dass ich je gesehen habe,
gesehen während die Schwester des 4.Königs Plüschtiere und Süßigkeiten an alle
Kinder verteilt hat.
Überhaupt bin ich ganz entzückt von den niedlichen
bhutanischen Babys und Kleinkindern. Amelie macht sich schon ein bisschen
Sorgen und zieht mich die ganze Zeit auf…
Ab hier kommen jetzt die Bilder aus dem OP, von dem Pfeil in der Hand, dem riesen OvarialCA, der Nephrektomie und den Kopfverletzungen. Die werden immer grausamer und die letzten sind selbst für blut- und OPgierige Medizinier nicht ohne. Ich möchte nicht dass jemand Albträume o.ä. bekommt,
also guckt die Bilder nicht an, wenn ihr wisst, dass ihr das nicht ab könnt!Sie sind teils schockierend. Ihr müsst selber entscheiden, ob die Befriedigung eurer Neugier euch das wert ist! Man lebt auch ohne das gesehn zu haben.
Uterus mit totem Kind drin |
So wurde das Baby dann dem Vater gegeben |
Überreste des Pfeils in der Hand |
OvarialCA |
nochmal OvarialCA |
Wilmstumor des 13 Monate alten Jungen |
"Kopfplatzwunde" des einen Opfers, da gabs noch ein Tuch zum Abdecken |
Als die erste Wunde zu war, hat man noch ne zweite entdeckt |
Ihn und sein Jackett hat es am schlimmsten erwischt. Der Schädel drunter ist auch etwas angeknackst und beim Nähen kam mir das erste Mal Blut in einem dünnen 30cm Strahl entgegen. |
Hallo Katharina,
AntwortenLöschendanke für Deinen Blog. Du zeigst hier Dinge, die mir ohne Deine Bilder niemand glauben würde. Danke für diese knallharte Fotoreportage.
LG
A.