Der Freund von Lotay, bei dem wir eingeladen waren, hat
einen hohen Posten bei einer der Banken hier und gehört sicher zu den reichsten
Bhutanern. Schon der Eingang seiner Wohnung sah aus, wie der eines Tempels und
er hatte ein eigenes Zimmer für die Mönche, die zu Besuch waren. Auch sonst war
die Wohnung im obersten Stock des Hauses für bhutanische Verhältnisse extrem
nobel. Selbst für deutsche Verhältnisse war sie recht großzügig.
Beim Abendessen, was hier übrigens immer auf dem
Wohnzimmertisch serviert wird (so etwas wie einen Küchen-/Esstisch haben wir
außer in unserer Wohnung noch nicht gesehen) haben wir dann auch endlich mal,
traditionellen bhutanischen Buttertee probiert. Lotay war glücklicherweise so
nett zu sagen, dass er den Gastgeber so gut kennt, dass wir auch ohne schlechtes
Gewissen sagen könnten, wenn es uns nicht schmeckt. Es wäre wirklich eine
Herausforderung geworden diese Brühe aus Schwarztee, Milch, Zucker und
gesalzener Butter irgendwie höflich zu vernichten. An kalten Tagen ist dieses
Gebräu angeblich sehr nahrhaft, was sicher stimmt, wenn man nichts anderes hat.
Wir waren aber froh, dass wir dann noch leckeren grünen Tee ohne Milch bekommen
haben.
Unser Gastgeber war ein wahnsinnig netter Mann, der trotz
seines offensichtlichen Reichtums sehr bodenständig geblieben ist. Er hat uns
stolz einen Bierkrug mit Zinndeckel präsentiert, den er mal von einem deutschen
Studienkollegen oder Geschäftspartner geschenkt bekommen hat.
Über Chilli’n’Cheese, Hähnchen, Reis und einem Chillisalat,
der selbst Shaukat (Studienfreund von Lotay aus Bangladesh), die Tränen in die
Augen getrieben hat (wir haben erst gar nicht probiert) haben wir uns also ganz
nett über Deutschland, Bhutan, Kultur, Politik (hier wissen alle, dass Wulff
zurückgetreten ist) und Religion unterhalten. Lotay hat uns sehr viel über
Buddhismus, die Philosophie, die Auswirkungen auf die Gesellschaft und den
Alltag erzählt. Irgendwann erzählte er uns dann auch von seinem „Adoptivsohn“.
Dass Buddhisten an Wiedergeburt und Reinkarnation glauben, wissen
wahrscheinlich die meisten von euch. Wir haben später an diesem Abend dann eine
„echte Reinkarnation“ kennengelernt.
Da Lotays Freund sehr, sehr gläubig ist unterstützt er mit
einem großen Teil seines Geldes verschiedene Klöster und Mönche. Unter anderem
den Adoptivsohn von Lotay. Dieser ist vor 14 Jahren in einem kleinen Dorf
irgendwo in Bhutan auf die Welt gekommen. Mit zwei oder drei Jahren war er mit seinen
Eltern in Tibet auf Pilgerreise und ist wohl recht selbstverständlich in
Tempelanlagen herumspaziert in denen er vorher noch nie war. Den Mönchen dort
ist angeblich damals schon aufgefallen, dass er etwas Besonderes ist. Einige
Zeit später hat er dann von irgendwohin auf einen Berg gesehen und einfach
angefangen zu weinen, er war wohl nicht zu beruhigen und als man ihn fragte was
los wäre, meinte er nur, da hinten wäre er gestorben. Tatsächlich wurde an der
Stelle auf die der Junge zeigte, Jahre vorher wohl der Leichnam eines Lamas
verbrannt. Das alles hört sich jetzt wie eine Geschichte aus X-Faktor an. Auch
Lotay meinte er, der an die Wissenschaft glaubt, könnte das so nicht erklären.
Fakt ist aber wohl, dass der Junge eine ganze Menge Prüfungen bestanden hat,
die er nur mit dem Wissen aus seinem früheren Leben bestehen konnte. Es ist
wohl keinesfalls so, dass man einfach behaupten kann, man wäre die Wiedergeburt
von sonst wem. Da gibt es strenge Regeln und Kinder müssen schon weit vor einem
Alter, in dem sie etwas von Wiedergeburt wissen könnten bzw. man ihnen erzählen
könnte, was sie tun und sagen sollen, Verhaltensweisen zeigen, die auf eine
Reinkarnation hinweisen. Viele sagen z.B. im Kleinkindesalter auf einmal, über
ihre Eltern, dass das nicht ihre richtigen Eltern seien oder dass das Haus in
dem sie wohnen nicht ihr Zuhause ist. So kam auch Lotay zu seiner „Vaterschaft“.
Der Tulku hat einfach beschlossen, das Lotay sein neuer, richtiger Vater ist,
nachdem er ihn einmal irgendwo getroffen hatte. Für Lotay ist das eine so große
Ehre, dass er dies nicht ablehnen konnte. Die Eltern des Tulkus leben beide
noch und stehen auch im Kontakt zu ihm, trotzdem sagt er zu Lotay und seiner
Frau Papa&Mama. Er selbst geht gerade noch in eine Schule in Punakha und
lebt sonst in einem Kloster dort in der Nähe. Dem König war es wichtig, dass er
seine Ausbildung in Bhutan abschließt und erst danach in „sein“ Kloster in
Tibet „zurückkehrt“. Die Anerkennung seiner Reinkarnation war wohl ein
richtiger chinesisch-bhutanischer Staatsakt. Bis jemand als ein Tulku anerkannt wird ist es
ein langer Prozess, den man nicht unbedingt nur als religiösen Schabernack
abtun kann.
Ich weiß immer noch nicht wie sehr ich das ganze glauben
kann, was ich an diesem Abend gehört und gesehen habe. Aber als reinen
Hokuspokus kann ich es nicht bezeichnen, irgendwas ist da schon dran,
irgendwie...
Ein weiteres mal also Glück für uns so etwas zu sehen und
auch mal photographieren zu dürfen. Das darf man in den „richtigen“ Tempeln
nämlich nicht.
Von Innen hat sich das Zimmer kein bisschen von dem
Hauptraum des Tempels, den wir am Tag zuvor besucht haben unterschieden. Nur
gegenüber von dem reichlich mit Butterlampen und bunten Blumenskulpturen aus
Butter geschmückten Altar war eine Art Thron auf dem der Tulku saß.
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